Haibun der Woche 22 – 1. Juni 2025

Besuch bei der Nachbarin. Kaum ein Fleckchen der Wohnzimmerwände war frei geblieben, Kalender und Kunstdrucke, der Mann mit dem Goldhelm, die Seerosen von Monet, dazwischen Zierteller aus Meißner Porzellan und Erinnerungsstücke an die vielen Reisen, sogar eine Hawaiikette hing in  der Ecke. In Vitrinen Geschirr, das nie auf den Tisch kam, und Fotos der Kinder und Enkelkinder. – Die 85jährige konnte all das schon nicht mehr sehen, und das traf sie weit mehr als andere Einschränkungen.

Vor einem Monat schrieb sie uns einen Gruß, sie fühle sich in ihrer neuen Bleibe, in dem Appartement in der Seniorenresidenz sehr wohl und genieße ihre doch wohl letzte Zeit. Mittlerweile räumen die Kinder das große Haus leer. Ab und zu hört man Diskussionen, die Töchter, scheint es, sind eher fürs Behalten, ihre Männer eher fürs Wegwerfen. Ab und an sitzen sie alle im Sonnenschein auf den Stufen vor dem Haus, schweigen erschöpft und trinken den mitgebrachten Kaffee.

 

 

Der Trödler lacht.
Der schwere Lieferwagen
f
ährt leer zurück.

Wolfgang Volpers

 

burnt coffee
the 
taste of nothing
left 
to say

Glenn G. Coats

 

 

Das letzte Gedicht fand ich im Frogpond, dem Journal of the Haiku Society of America, in der Ausgabe 40:3 vom Herbst 2017.