Kein Haiku der Woche 37 – 13. September 2020

Michel Houellebecq hat sehr viel geschrieben… Alle Welt redet von den Elementarteilchen und der Unterwerfung, es gibt aber auch eine Reihe von Lyrikbänden. In den 2016 erschienenen „Gesammelten Gedichten“ gibt es einige Texte, die von der Haiku-Form inspiriert scheinen.

 

Gelöstes Haar
S
ie schaut mich vertrauensvoll an,
A
usgeschnittene Bluse.

 

Das Bett ist zerwühlt,
V
ögel stelzen zwischen den Zedern;
W
ir haben Sonntag.

 

Gesicht im Spiegel,
D
er Kaffee muss gekocht werden.
Der 
Mülleimer ist voll.

 

Ihr Blick verhärtet sich,
Ihre 
Hand greift den Koffer;
A
lles ist meine Schuld.

 

Der Bettler erbricht sich.
E
in paar Passanten treten beiseite.
D
ie Metro kommt.

 

Michel Houellebecq

 

Der ursprüngliche Gedichtband heißt Wiedergeburt (Renaissance). Die bei DuMont erschienene Sammlung ist zweisprachig. Man tut den Gedichten wohl Unrecht, wenn man nur die etwas nüchtern wirkende deutsche Übersetzung von Hinrich Schmidt-Henkel zur Kenntnis nimmt:

Cheveux dénoués
E
lle me regarde avec confiance,
C
orsage échancré.

 

Le lit est défait,
D
es oiseaux marchent entre les cèdres;
N
ous sommes dimanche.

 

Visage dans la glace,
Il 
faut préparer le café.
La 
poubelle est pleine.

 

Son regard durcit,
Sa 
main attrape la valise;
Tout 
est de ma faute.

 

Le mendiant vomit.
Q
uelques passagers s’écartent.
Le 
métro arrive.

 

Michel Houellebecq