„Sie, Herr Strauss, sind von gestern!“
I. Richard Strauss in den 1940er Jahren (Anmerkungen)

  • Sehr geehrter Herr Ritter: nach Egk, S. 342 f. – Leo Ritter war der geschäftsführende Direktor der STAGMA, der Vorläuferorganisation der GEMA (vgl. Walter, S. 375). – „In 1915 yet another German performing rights society came into being, the Genossenschaft zur Verwertung musikalischer Aufführungsrechte, the first GEMA. By 1933 the various German performing rights societies merged under yet another akronym, STAGMA (Staatlich genehmigte Gesellschaft zur Verwertung musikalischer Urheberrechte).“ (Petersen, S. 119)
  • Es ist mehrfach beschrieben worden: Einen Überblick über die Literatur zu diesem Thema bis 1992 gibt Potter (siehe Literaturverzeichnis). Die Autorin beschreibt die Windungen der Literatur hinsichtlich Strauss’ Haltung zum Nazi-Regime, zwischen den Extremen des Lossprechens und Verharmlosens einerseits und des Enthüllens und Verdammens andererseits – für beides gibt es Gründe und Belege. – Aus späterer Zeit stammen die Darstellungen von Michael Walter (siehe Literaturverzeichnis, S. 345 ff.) und Michel H. Kater. Letzterer scheint sehr abgewogen zu urteilen, z.B. im Zusammenhang der Repressalien gegenüber Strauss und seiner Familie: „Es gibt heute [1997] weiteres umfangreiches Beweismaterial dafür, daß Strauss und seine Familie mit einer Bösartigkeit drangsaliert wurden, wie sie im Fall eines Kollaborateurs des Dritten Reichs nicht möglich gewesen wäre.“ (S. 403)
  • Einöde: Briefwechsel Strauss-Böhm, S. 152, Brief vom 20. Januar 1944.
  • Das Dokument eines äußersten Eskapismus: Youmans hält ein Nicht-Betroffen-Sein für einen durchgehenden Kern von Strauss’ Persönlichkeit. „Certainly a more general distance or removal from everything outside his own domestic or creative inner sanctum remained the defining feature of his personal life for more than six decades.“ (Youmans, S. 72)
  • Text und Musik des Kanons Wer tritt herein: nach Ender, S. 276. – „Wer tritt herein so fesch und schlank? / Es ist der Freund Minister Frank / Wie Lohengrin von Gott gesandt / Hat Unheil er von uns abgewandt. / Drum ruf ich Lob und tausend Dank / Dem lieben Freund Minister Frank.“- Willi Schuh versuchte 1947, Strauss zu entschuldigen: Das Lied für Hans Frank, „von dem damals niemand wissen konnte, daß er als Polenschlächter traurige Berühmtheit erlangen werde, besteht aus einem scherzhaften, ganz und gar belanglosen privaten Vierzeiler auf einer Visitenkarte“, der „selbstverständlich nie komponiert worden“ sei (Schuh, Epilog, S. 456). – Offenbar hatte Frank geholfen zu verhindern, dass Strauss in seiner Garmischer Villa Opfer von Bombenangriffen einquartieren musste. – Dazu Karl Böhm, in einem Brief an Strauss vom 4. April 1944: „Ich glaube, dass Reichsleiter von Schirach an der Bereinigung dieser Sache keinen unbedeutenden Anteil hatte, da seine Haltung ja von Anfang an die nobelste war.“ (Briefwechsel Strauss-Böhm, S. 159)
  • Aber vom 1. Mai ab: Strauss, Späte Aufzeichnungen, S. 310 (die Herausgeber lassen die kleineren grammatikalischen Fehler Strauss‘ unkorrigiert). – Als Freund von Strauss’ Musik liest man diese klare Distanzierung des Komponisten vom Nazi-Regime gern, erschrickt aber darüber, dass der 81jährige den Verlust von „Baudenkmälern und Kunstdenkmalen“ beklagt, über die mehr als 60 Millionen Toten aber kein Wort verliert. Dazu passt gut, dass Strauss, als ihm 1944 in seiner Villa in Garmisch die Einquartierung von Ausgebombten drohte, wütend erklärte, es gehe ihn nichts an, dass Soldaten an der Front ständig ihr Leben aufs Spiel setzten. (Vgl. Walter, S. 393 f.)
  • compositorische Fingerübungen: Briefwechsel Strauss-Schuh, S. 53, Strauss an Willi Schuh am 30. November 1943. („Mein Handgelenk beschäftige ich notgedrungen mit unnötigen compositorischen Fingerübungen, da man doch nicht den ganzen Tag lesen kann.“)
  • Strauss schrieb, er schmiere zur Betäubung: in einem Brief an Rudolf Hartmann vom 22. März 1945, zit. nach Walter, S. 397: „Ich schmiere – zur Betäubung – weitere Werkstattarbeiten (u.a. ein Stück für 23 Solostreicher für ein Schweizer Collegium musicae, welches dasselbe durch Dr. Böhm bei mir ‚bestellt‘ hat).“
  • Aber man kann doch nicht immer müßig sitzen: Briefwechsel Strauss-Schuh, S. 42 – Das „nicht“ ist in Schuhs Ausgabe korrigierend eingefügt.
  • der jede Auskunft über den Sinn seines Werkes verweigerte: vgl. Schuh, Entstehung, S. 85, und Krause, S. 419.
  • Fröhliche Werkstatt: Gemeint ist die Zweite Sonatine für 16 Blasinstrumente, TrV 291, die diesen Untertitel trägt und „Den Manen des unsterblichen Mozart am Ende eines dankerfüllten Lebens“ gewidmet ist. Nur in der Andante-Einleitung des vierten Satzes, die einige oberflächliche motivische Ähnlichkeiten mit den Metamorphosen aufweist, schlägt Strauss einen etwas ernsteren Ton an. – Diesen Satz hatte Strauss als ersten komponiert und am 18. Januar 1944 „eben vollendet“ (Briefwechsel Strauss-Schuh, S. 59). Der erste Satz wurde nach den Angaben in der Partitur am 6. März 1944 beendet, die anderen Sätze im Sommer 1945, also nach den Metamorphosen, ergänzt.
  • durchaus Wichtiges: Arne Stollberg sieht im Ende von Daphne (deren Musik die Daphne- Etüde für Violine solo, TRV 272b, aufgreift) einen „Übergang zum Geiste der Musik“, was zu einer Neubewertung der späten Instrumentalstücke (Metamorphosen, Bläser-Sonatinen, Oboen-Konzert) führe: „In solchen Partituren sah der ‚griechische Germane‘ offenbar keineswegs einen belanglosen Zeitvertreib, auch wenn er selbst es so dargestellt haben mag, sondern eine probate Option, ‚am Ende des Regenbogens‘ sinnvoll zu komponieren.“ (Stollberg, S. 398)