Der Zitronentod – die Limonaia Pra dela Fam

Nirgendwo und niemals wurden Zitronen so weit nördlich angebaut wie hier.

Die Franziskanermönche, die um 1300 in Gargnano am Westufer des Gardasees ein Kloster gründeten und die Zitronenbäume mitbrachten, fanden immerhin einen Boden vor, den die empfindlichen Pflanzen sehr mochten. Allerdings waren die Winter oft kühl, und die Gefahr plötzlicher Kälteeinbrüche groß. Also legte man Gewächshäuser an, in Terrassen aus aufgemauerten Steinen, die zur See- und Sonnenseite hin offen waren. Die typischen Säulen, die heute noch – teilweise spektakulär verfallen – das Bild von Salò, Gardone, Maderno, Gargnano und Limone (aha!) prägen,

dienten dazu, im Winter die Limonaie mit Dächern und Seitenwänden zu verschließen. Diese waren mit Glasfenstern versehen und wurden, um sie schnell zur Hand zu haben, in Schuppen direkt neben den Gewächshäusern gelagert. Die Zitronen waren begehrt, der Verkauf boomte, in der Mitte des 19. Jahrhunderts gab es in den Orten des südwestlichen Gardasees über 400 Limonaie. 

Dann aber kam alles zu allem. Als erstes breitete sich seit 1855 die von einem aggressiven Pilz übertragene Gummosis-Krankheit aus, die die Zitronenbäume verderben ließ und gegen die man kein Mittel wusste. Der Risorgimento, die italienische Einigungsbewegung, rückte seit den 1860er Jahren den Süden näher an den Norden heran – in Sizilien aber wuchsen die Zitronen wie von selbst auf freiem Feld, hatten keine aufwändigen Gewächshäuser nötig. 1879 wurde die Zitronensäure isoliert und bestimmt: „Die Entdeckung“ (ich zitiere etwas boshaft eine Erläuterung in der Limonaia Pra dela Fam) „darf es industriell herstellen, es war die Ruine des Garda-Zitrussektors.“ Und schließlich gab es um die Wende zum 20. Jahrhundert eine Reihe besonders harter Winter, so dass auch die letzten Erzeuger am Gardasee die Lust verloren. 1992 gab es noch sieben Limonaie, die anderen zerfielen oder waren in Ziergärten oder Wohnhäuser umgewandelt worden.

Die Kommune Tignale unternahm es, eine brachliegende Limonaia zu restaurieren. Auf den untersten drei von ehedem sieben Terrassenstufen werden seit 2011 wieder Zitronen angebaut, ein ecomuseo ist entstanden, das nicht nur wunderschön anzusehen ist, sondern tatsächlich auch produziert. Für ein geringes Entgelt darf der Tourist zwischen den Zitronenbäumen hin und her spazieren und anschließend im Museumsshop Marmeladen und aromatisiertes Olivenöl kaufen. Die Limonaia Pra dela Fam liegt, zwischen dem See und den steilen Felsen eingeklemmt, direkt an der Strada Statale Gardesana Occidentale zwischen Gargnano und Limone – man kann sie nicht verfehlen. Ganz in der Nähe liegt übrigens das Santuario del Montecastello, hier dokumentiert.

 

 

Der erste Abschnitt dieses Beitrags fußt auf dem Aufsatz Limonaie am Gardasee – Architektonische Restbestände einer Bauernkultur von Annegret Winter, erstveröffentlicht 2006 in ARX – Burgen und Schlösser in Bayern, Österreich und Südtirol 2. – Und die passenden Haiku zum Thema finden sich hier.