Haiku der Woche 9/10 – 26. Februar 2023 (nach Aschermittwoch)
Aschermittwoch.
Müde sitzen die Jecken
am Frühstückstisch.
Wolfgang Volpers
Aschermittwoch
sie hat noch immer
Konfetti im Haar
Angelika Knetsch
Am Weg zur Schule
bei den Kletten paar Kinder
mit’m Aschenkreuz
Horst Ludwig
An diesem Aschermittwoch
erinnere ich mich an eine Episode aus meiner Kindheit: Ganz deutlich sehe ich den schmächtigen Jungen vor mir, der ich einmal war. Fröstelnd laufe ich durch die Dunkelheit zur Kirche. Frühgottesdienst im Schein der Kerzen. Ich hocke auf der harten Kirchenbank und lese im Messbuch andächtig die Texte der Liturgie. Nach der Aschenweihe gehe ich nach vorn. Der Priester zeichnet ein schwarzes Kreuz auf meine Stirn: Memento homo, quia pulvis es, et in pulverem reverteris. – Später, in der Schule, der Spott der anderen. Ich aber wische das Aschenkreuz nicht weg, sondern trage es einen Morgen lang trotzig auf meiner Stirn.
Auf dem Nachhauseweg
hinter der Friedhofsmauer
ein frisches Grab.
Peter Janßen
Wind und nasser Schnee.
Die Maske eines Pierrot
tanzt auf dem Marktplatz.
Wolfgang Volpers
Staubflocken ruhen
wie die letzte Asche auf
zwei Sombreros.
Denis Stehr
verkernte süße
die sonntagsruhe bleibt
eine passionsfrucht
Cornelius Reinsberg
Das Gedicht von Angelika Knetsch habe ich dem Haiku-Kalender 2018 entnommen, der von Stefan Wolfschütz für die Deutsche Haiku Gesellschaft herausgegeben wurde. Das Haibun von Peter Janßen, erstveröffentlicht im März 2017, fand ich auf der Webpräsenz Haiku heute – Kurzgedichte aus der deutschsprachigen Welt. Peter Janßen gibt auch eine Übersetzung des Priesterspruchs: „Gedenke, Mensch, dass du Staub bist und und wieder zu Staub werden wirst.“
Die anderen Gedichte sind Originalbeiträge für diese Homepage. Herzlichen Dank an Horst Ludwig, der mir sein Gedicht – eine Erinnerung an die Kindheit in einem Dorf in Oberschlesien – am Ash Wednesday „aus weit im Westen der USA und aus dem Rollstuhl“ zugesandt hat.