Karl May der Komponist
Sein Leben war das spannendste seiner Abenteuer: Von der Geburt in Ernstthal als Kind einer bettelarmen Weber-Familie bis hin zum Tod als gefeierter, reich und berühmt gewordener Schriftsteller in der eigenen „Villa Shatterhand“, immer wieder vom gesellschaftlichen Absturz bedroht, immer wieder im Konflikt seiner Traum- und Phantasiewelt mit der realen, die so ganz anders war, als er sich das erträumt hatte.
Das literarische Werk des wohl immer noch auflagenstärksten Schriftstellers deutscher Sprache entwickelt sich in heftigen Schüben. Nach den frühen, ihm selber später peinlichen Kolportageromanen und Auftragsarbeiten wie „Die Geheimnisse des Venustempels aller Zeiten und Völker oder Die Sinnenlust und ihre Priesterinnen“ findet er in den 1880er Jahren „seine“ literarische Form: die Reiseerzählung mit dem heldischen „Ich“ in der Hauptrolle. Nach 1900, den realen Orientreisen entsteht dann ein literarisch höher greifendes und durchaus sprachmächtiges, aber doch auch esoterisches und schwerer zugängliches Spätwerk.
Die Wenigsten wissen, dass Karl May auch Musiker war und komponiert hat. Tatsächlich hat er eine umfangreiche musikalische Ausbildung genossen, spielte mehrere Instrumente und hinterließ eine Reihe von sehr schönen, handwerklich untadeligen und durchaus inspirierten Männerchor-Kompositionen. Er hat zum Beispiel die Worte, die „Heilmann und die anderen Settlers“ dem sterbenden Winnetou vorsingen sehr eindrucksvoll selbst vertont (hier die Noten):
„Es will das Licht des Tages scheiden;
nun bricht des Todes Nacht herein.
Die Seele will die Schwingen bereiten;
es muss, es muss gestorben sein.
Madonna, ach in deine Hände
leg’ ich mein letztes, heißes Flehn:
Erbitte mir ein gläubig Ende
und dann ein selig Auferstehn!
Ave Maria!“
Leben und musikalisches Werk des Meisters illustrieren wir in einem gut einstündigen Vortrag mit Live-Musikbeispielen, der über meine Mail-Adresse buchbar ist. Ein Appetizer mit einigen markanten Lebensstationen findet sich hier.