Siebenmal seltsame Taktarten

Dave Brubecks Album „Adventures in Time“ von 1968 „focussed on tracks featuring odd time-signatures“. Das bekannteste Beispiel ist Paul Desmonds „Take Five“ (selbsterklärend!), ein Erfolg auch das „Blue Rondo à la Turk“ (9/8, als 1-2, 1-2,  1-2,  1-2-3 gezählt). Witzig sind auch „Eleven Four“ und „Three to get ready – and four to go“ (beides ebenfalls selbsterklärend). Trotz der verrückten Taktarten fließt die Musik ganz entspannt, was nicht nur Brubecks oder Desmonds Verdienst ist, sondern auch des genialen Drummers Joe Morello. 

Aber auch die „klassischen“ Komponisten können schräge Taktarten. Die barocke Fülle der Taktarten verengt sich jedoch im Verlauf spätestens des 19. Jahrhunderts auf einige wenige. Ohne die 5/4-Takte der Russen, die diese Taktart von ihrer Volksmusik kennen, wäre die Liste nicht vollständig. Auf Beispiele aus dem 20. Jahrhundert, in dem schräge Taktarten ebenso wie die Arbeit mit Taktwechseln endemisch werden, habe ich natürlich verzichtet. – Die Suche wird fortgesetzt.

  1. Johann Sebastian Bach, Fülle der Taktarten im „Wohltemperierten Klavier“, hier in systematischer Reihenfolge aufgelistet: 4/2, 3/2, 2/2, 6/4, 4/4, 3/4, 2/4, 12/8, 9/8, 6/8, 3/8, 24/16, 12/16, 6/16
  2. Georg Friedrich Händel, der wohl erste 5/8-Takt der Operngeschichte, in der Wahnsinns-Szene des Orlando am Ende der gleichnamigen Oper
  3. Georg Philipp Telemann, ein 3/32- und ein 24/1-Takt, beide in der „Gulliver Suite“ für zwei Violinen ohne Bass
  4. Ludwig van Beethoven, ein 9/16- und ein 12/32-Takt in der Arietta aus op. 111, dem letzten Satz seiner letzten Klaviersonate
  5. François-Adrien Boïeldieu, eine längere Episode im 5/4-Takt in der Cavatine des Georges Brown (aus der 1825 uraufgeführten Oper „Die weiße Dame“), auf die Worte „Schon deckt die Nacht uns mit dunklem Schleier“
  6. Peter Tschaikowsky, der berühmteste 5/4-Takt der Musikgeschichte – den keiner merkt! – im zweiten Satz der Sechsten Sinfonie Pathétique
  7. Paul Juon, ständiger Wechsel zwischen 5/4- und 6/4-Takt im ersten Satz seiner um 1900 entstandenen, spätromantischen Bratschensonate

 

Mein Freund Alexander Bondarenko schrieb mir nach dem Lesen dieser Liste: 
Gerade fällt mir eine seltsame Taktart in der Oper „Sadko“von Nikolai Rimski-Korsakov ein, ein Chor, der im 11/4-Takt komponiert ist. Um dem Chor die Einstudierung zu erleichtern, hat der Dirigent den Text der ersten Phrase ausgetauscht. „Римский-Корсаков совсем с ума сошел“ („Rimskij Korssakow ssowssem ss uma ssoschel“, genau 11 Silben) – das bedeutet aber: „Rimski-Korsakov ist ganz verrückt geworden“…