Echte und unechte Opernzyklen

Auf der Reise von Bayreuth, wo ich an der Generalprobe eines Wagnerschen Musikdramas teilnahm, nach Minden, wo ich an der Generalprobe eines Wagnerschen Musikdramas teilnahm, ging mir so manches durch den Kopf: einzelnes aus den vier kolossalen Stücken des Ring natürlich, die ungeheure Wirkungsmacht der Tetralogie insgesamt, aber auch die Frage nach anderen Opernzyklen. August Bungert zum Beispiel hat es mit seiner Tetralogie Homerische Welt tatsächlich auf die Bühne geschafft. Kirke, Nausikaa, Odysseus’ Heimkehr und Odysseus’ Tod wurden in den Jahren um 1900 in Dresden uraufgeführt und offenbar einige Male dort und anderswo in Deutschland  nachgespielt, dann aber gründlich vergessen. Das liegt, denke ich, nicht nur an der Übermacht Wagners, sondern an der schwachen Musik. Hier die allzu simplen ersten 14 Takte der „Homerischen Welt“:

Bungert hatte offenbar eine Hexalogie geplant… Ich bin bescheidener und beschränke ich mich im Folgenden auf die Hälfte. Meine Liste echter und unechter Operntrilogien vereint Gipfelwerke mit Unbedeutenderem und einer Kuriosität. (Eine „echte“ Trilogie ist, wie Puccinis großartiges Trittico, eine vom Komponisten als solche geplante Zusammenstellung; eine „unechte Trilogie“ – wie die Nummern 1, 3, 4 meiner Liste – ist eine durch die Musikgeschichte oder die Opernpraxis hergestellte Dreiheit.) – Zu den zwei ersten Werken von Puccinis Trittico biete ich zwei kurze Essays an: zum Tabarro, diesem Ausnahme- und Meisterwerk, und zur oft unterschätzten Suor Angelica.

  1. Claudio Monteverdi, die drei überlieferten großen Opernwerke: L’Orfeo (1607), Il ritorno d’Ulisse in patria (1640), L’incoronazione di Poppea (1642)
  2. W. A. Mozart, die drei Da-Ponte-Opern: Le nozze di Figaro (1786), Don Giovanni (1787), Così fan tutte (1790)
  3. Mozart – Rossini – Milhaud, die Figaro-Trilogie nach Beaumarchais: Le nozze di Figaro (1786), Il Barbiere di Seviglia (1816),  L’autre Tartuffe ou la mère coupable (1966, bei Darius Milhaud nur: La mère coupable)
  4. Giacomo Puccini, Il Trittico: Il Tabarro, Suor Angelica, Gianni Schicchi (1918)
  5. Paul Hindemith, Triptychon von 1921/22: Mörder, Hoffnung der Frauen (1921), Das Nusch-Nuschi („Spiel für burmanische Marionetten“, 1922), Sancta Susanna (1921)
  6. Darius Milhaud, Opéras-minutes: L’enlèvement d’Europe, L’abandon d’Ariane, La délivrance de Thésée (1927)
  7. Ernst Krenek, die Trilogie von 1928: Der Diktator, Das geheime Königreich, Schwergewicht oder die Ehre der Nation.
  8. Carl Orff, Trionfi – Trittico teatrale: Carmina Burana (1936), Catulli carmina (1943), Trionfo di Afrodite (1951)
  9. Philipp Glass, Portrait Trilogy: Einstein on the Beach (1978), Satyagraha (über Mahatma Gandhi, 1980), Akhnaten (über den Pharao Echnaton, 1984)
  10. Elb Wenariel, Der Untergang der Freen: Die Verlockung der Freen, Das wahre Gesicht der Alten Götter, Die letzte Freen (alle vor vierhundert Jahren entstanden).

Herzlichen Dank an Th.Gr., der mich auf die Nummern 3, 5, 7 aufmerksam machte.

Und hier noch Hintergrundinformationen zur Nummer 10, die ich auf http://www.das-rad-des-schicksals.de fand:
Im großen Saal der Opernbühne „Drachenhort“ startet morgen die Premiere von „Die letzte Freen“ aus dem Opernzyklus „Der Untergang der Freen“. Das vor 400 Jahren vom Elben Wenariel gedichtete und komponierte Werk gilt als klassisches Meisterwerk der Opernwelt und Höhepunkt seines Schaffens.
Der drei Opern umfassende Zyklus begann vor zwei Spielzeiten mit „Die Verlockung der Freen“ und war bei jeder Aufführung ausverkauft und wurde zehn Mal verlängert. Auch „Das wahre Gesicht der Alten Götter“ stand der ersten Oper in nichts nach. Ähnliches wird für diese Spielzeit mit Teil 3 „Die letzte Freen“ erwartet.
In der Titelrolle von Xarxa, der letzten Freen, singt die Gestaltwandlerin Terride. Ihr dunkler Begleiter ist der Elb Haoniel. Pikant ist dabei die Tatsache, dass sich Terride und Haoniel nach 150jähriger Ehe gerade getrennt haben. Opernhausführer Horan von Junken sieht keine Beeinträchtigung der Aufführungen dadurch. „Beide sind seit mehr als 200 Jahren Profis in ihrem Gebiet. Sie werden weiterhin Qualität auf allerhöchstem Niveau bieten.“ 
Dass Terride als Gestaltwandlerin eine echte Freen mit Tentakellippen und ovalem Kopf nachbildet, vertieft ihre Rolle als die Heldin Xarxa besonders eindrucksvoll. „Es ist, als würden die Freen noch unter uns wandeln!“, äußerte die Generalprobenbesucherin Lady Sommerlang gegenüber dem Magnora-Morgen.
Leider wird diese Oper für den Normalsterblichen aus Magnoras Gassen unerschwinglich bleiben. Die billigste Karte kostet 10 Goldstücke. Wer wie Lady Sommerlang aus der Ehrenloge zusehen möchte, müsste 500 Goldstücke pro Person in der Loge (Diener extra) bezahlen.

Interessant – aber mir leider nicht genügend bekannt – scheint auch das Opern-Triptychon am Grund des Marianengrabens zu sein, dass im April dieses Jahres 2019 in Berlin uraufgeführt wurde. Die drei Opern heißen: Am Grund gibt es keinen Grund mehr nach dem Grund zu fragen (Musik von Sven Daigger), Eurydike (Musik von Feliz Anne Reyes Macahis), Aufbruch (Musik von Josep Planells Schiaffino).