Haiku der Woche 19/20 – 28. April 2024 

Die klassische Haiku-Dichtung ist keine Liebeslyrik. Issa, einer der Großen Vier, schreibt über Gänse, Katzen, Frösche, über Kirschblüten, Melonen, Rüben, sogar über Vogelscheuchen und Latrinen, aber nicht über die Liebe. Von Urvater Bashō gibt es immerhin ein Gedicht mit zwei Freudenmädchen, die nebenan übernachten. Die umfangreicheHaiku-Sammlung Haiku – Gedichte aus fünf Jahrhunderten enthält ein einziges Liebesgedicht (von Tan Taigi).

Heute ist das etwas anders geworden. 

 

 

In der gleichen Herberge
s
chliefen auch Freudenmädchen –
B
uschkleeblüten und Mond

Bashō (1644 – 1694)

 

Erste Liebe –
z
ur Bon-Laterne hin neigt sich
G
esicht an Gesicht

Tan Taigi (1709 – 1771)  

 

Die Katze hat geschlafen:
Sie 
streckt sich, gähnt und geht
auf 
Liebe aus.

Issa (1763 – 1827) 

 

 

 

Abschied
im s
chwindenden Licht
s
ein Schatten

Christa Beau 

 

Du –
z
wei Buchstaben füllen sich
mit 
Verlangen

Klaus Kornexl 

 

ohne dich
das Rot der Rosen
anders

Horst-Oliver Buchholz

 

 

 

 

Die Haiku von Bashō und Taigi, übersetzt von Eduard Klopfenstein und Masami Ono-Feller, finden sich in dem erwähnten Band Haiku – Gedichte aus fünf Jahrhunderten (Reclam); Issas Katzen-Gedicht entnahm ich Dietrich Krusches großartigem Buch Haiku – Japanische Gedichte (dtv). Für die zeitgenössischen Haiku griff ich, um meine These zu belegen, zu den letzten drei Ausgaben des Sommergras, der Vierteljahresschrift der Deutschen Haiku Gesellschaft. Birgit Wendlings Magnolien-Haiga ist ein Originalbeitrag für diese Homepage.

Die nächsten Haiku der Woche erscheinen erst am 12. Mai.