Haiku der Woche 3 – 17. Januar 2021
Das neue Jahr ist noch jung. Noch ist Zeit… Beate Conrad wagt in einer senryûesken Haikusequenz einen Rück- und einen Ausblick.
Die Weite der Zeit
Diese Lawine,
die uns in die Tiefe reißt,
hat einen Namen.
Sozialkontakte
abbauen könnte ich noch
im Haus die Spiegel
Weihnacht abgesagt …
Wir stochern durch den Nebel
von Behauptungen.
Zwischen den Jahren
die Straßen bevölkert
von grauen Schatten.
Jemand, der ich war,
wurde wer, der ich nun bin –
Jahreswechsel.
Foto mit Rahmen
jenseits des Fensterflügels
die Weite der Zeit
Herzlichen Dank an Beate Conrad für diesen Gastbeitrag. Weitere Gedichte der Autorin finden sich hier und hier. – Beate Conrad erläutert: „Die Begrifflichkeit ‚senryûeske Haikusequenz‘ bezeichnet diese Gedichtreihe korrekt: Es geht um eine zusammenhängende Folge von kus – also Gedichten – die sowohl moderne Haiku als auch Senryû beinhaltet, die sich aufeinander beziehen und in bestimmter Weise inhaltlich und strukturell jeweils einzeln miteinander verknüpft sind. Das Senryû beschäftigt sich inhaltlich mit Menschlichem und allzu Menschlichem. Die Einstellung des Autors scheint dabei durch, während das Haiku die Verhältnismäßigkeiten von Mensch und Natur äußerst zurückhaltend darstellt. Beim Senryû geht es um Heiterkeit bis hin zu derber, aber auch ‚philosophischer‘ Ironie. Das Haiku hingegen bleibt neutral und zurückhaltend in seiner Einstellung.“