Haiku der Woche 4

Im letzten Sommer 2017 kam ich mit einer etwa gleichaltrigen Italienerin ins Gespräch, die wie ich ein e-Bike auf die Fähre von Torre del Benaco nach Toscolano Maderno schob. Es stellte sich heraus, dass sie von Beruf Musikerzieherin war, und als Hobby Haiku schrieb und sammelte…

Die italienische Haiku-Szene scheint recht lebendig und aktiv zu sein. In ihrem Aufsatz „Storia dell’Haiku in Italia“ schreibt Antonella Filippi: „Sei es, dass man das traditionelle oder das zeitgenössische Haiku bevorzugt, sei es, dass man Experimente liebt oder innerhalb des überkommenen formalen Rahmens bleibt, sei es, dass man Haiku als einen Zeitvertreib ansieht oder als ein Mittel der Auseinandersetzung mit der Welt oder der Natur – wer sich aktiv mit ihm beschäftigt, arbeitet dafür, die Qualität des Haiku in italienischer Sprache zu verbessern und ihm und sich selbst einen Platz in der Welt zu sichern.“

Dagegen ist nichts zu sagen. Allerdings findet sich die Neigung zum Pomphaften, zum satt Aufgetragenen statt der bloßen Andeutung auch in den meisten der von Signora Filippi zusammengetragenen Gedichte. – Hier zwei eher dezente Beispiele, eines von Alessandra Gallo, eines von Antonella Filippi selbst, beide als Jurorinnen in internationalen Haiku-Wettbewerben aktiv.

 

i rami spogli
il bisogno improvviso

di accarezzarti

 

kahle Zweige –
das plötzliche Bedürfnis,
dich zu streicheln

Alessandra Gallo

 

sera di pioggia
il brusio delle foglie
negli orti freddi

 

Abend im Regen
das Rascheln der Blätter
in den kalten Gärten

Antonella Filippi

 

Für die Übersetzungen entschuldigt sich: W.V. – Ein weiteres italienisches Haiku findet sich hier.