Haiku der Woche 51 – 20. Dezember 2020

In der Schlange draußen auf der Straße vor der Post. Alle sind bemüht, Abstand zu halten. Alle tragen Masken, manche die teuren, die den größten Schutz versprechen, andere besonders schöne oder originelle. Hin und wieder sieht man Plastikhandschuhe. Ich habe Mühe mit meinen beiden Paketen, will sie aber nicht auf dem schmuddeligen Gehsteig absetzen. Es geht und geht nicht vorwärts, es dauert jedes Mal lange Minuten, bis jemand das Geschäft verlässt und dort Platz schafft. Erst nach über einer halben Stunde bin ich in der Nähe des Eingangs angekommen. Der junge Mann vor mir, der sich bis dahin ganz still und unauffällig verhalten hatte, dreht sich plötzlich zu mir um – ich begreife, er will etwas mitteilen nicht nur über uns hier in der Schlange, sondern über „das alles“. Er zögert einen Moment, dann sagt er, bevor er sich zurückwendet: „So langsam nervt es.“ 

 

Wie Mehltau lagert
a
uf allem und auf allen
ein 
Unsichtbares

Wolfgang Volpers

 

Birgit Wendling nimmt „das alles“ von der heiteren Seite und weiß sich zu helfen:

Ich bin am Ende
m
einer Weisheit angekommen –
h
er mit dem Glückskeks!

Birgit Wendling

 

Das zweite Haiku ist (in einer geringfügig anderen Version) bereits in der Nummer 131 des „Sommergras“ (der Vierteljahresschrift der Deutschen Haiku Gesellschaft) vorveröffentlicht. Weitere Gedichte von Birgit Wendling befinden sich hier und hier.