Haiku der Woche 49 – 6. Dezember 2020
Heute ist Nikolaustag – aus diesem Anlass habe ich fünf Haiku-Dichter meiner Heimatstadt um ein Haiku gebeten. Außerdem (und da ist es jetzt schwer, eine gute Überleitung zu finden) feiern wir heute den 100. Geburtstag von Dave Brubeck, dessen großartiges Album „Adventures in Time“ ich schon lange, lange Zeit liebe und bewundere. Also: Take these five.
am leeren marktplatz
hilflos led-laternen
mit roten mützen
Hartmut Schulz
Kommt der Nikolaus?
Ich höre schon die Schritte.
Ach so, die Zeitung.
Hans Helmut Kehr
Im goldenen Buch?
Er fuchtelt mit der Rute:
Kein Haiku – nirgends!
Birgit Wendling
Er schminkt sich ab, der
Zwarte Piet, nimmt einen Schluck
vom heißen Kakao.
Johanna Smidt
Im Parkhaus.
Ich suche nach dem Parkticket.
Nikolaustag.
Wolfgang Volpers
Johanna Smidt ist in Utrecht geboren. Sie erzählt mir von der Figur des Zwarte Piet, dem Helfer des Sinterklaas, offenbar einem niederländischen Pendant zu unserem Knecht Ruprecht. Weil der Zwarte Piet nun mal schwarz sei, gebe es seit einigen Jahren erhebliche Unruhen um diesen von manchen als rassistisch empfundenen Brauch. Bei Wiki lese ich dazu (am Ende eines erstaunlich langen Zwarte Piet-Artikels): „Beim Einzug des Sinterklaas kam es im November 2018 in verschiedenen Städten zu Unruhen. Dabei haben nach Angaben der Polizei die Aktivisten von Kick Out Zwarte Piet friedlich demonstriert und sich an die Regeln gehalten. In Eindhoven und Rotterdam beispielsweise wurden sie jedoch von Pro-Zwarte-Piet-Demonstranten umlagert und beschimpft. Dabei wurde mit Eiern oder Bierflaschen geworfen.“ – Eine kurze Würdigung von Dave Brubecks Doppelalbum „Adventures in Time“ findet sich hier.
Hier ein Nachtrag eines Besuchers dieser Homepage:
Stelle ein zweites
Paar Stiefel vor die Tür. Für
den Mann aus Myra.
Cornelius Reinsberg
Und hier ein weiteres Leser-Echo, nämlich auf den Zwarte Piet. Thomas-Michael Gribow erinnert sich an den Schluss des „Rosenkavalier“. Octavian und Sophie sind ganz in ihre junge Liebe versunken: „Spür nur dich, spür nur dich allein und daß wir beieinander sein! Ist ein Traum, kann nicht wirklich sein, daß wir zwei beieinander sein.“ Und dann lassen Hofmannsthal und Strauss noch einmal den „kleinen Neger“ auftreten: „Sie sinkt an ihn hin, er küßt sie schnell. Ihr fällt, ohne daß sie es merkt, ihr Taschentuch aus der Hand. Dann laufen sie Hand in Hand hinaus. Die Bühne bleibt leer, dann geht nochmals die Mitteltür auf. Herein kommt der kleine Neger mit einer Kerze in der Hand. Sucht das Taschentuch, findet es, hebt es auf, trippelt hinaus. – Vorhang.“ Das ist natürlich eine Herausforderung für den politisch korrekten Regisseur des 21. Jahrhunderts:
Vor ein paar Tagen habe ich mir auf YouTube den 3. Akt „Rosenkavalier“ angeschaut, weil ich am Samstag eine Probe mit zwei befreundeten Sängern als Ochs und Octavian gemacht habe. Es war die wunderbare Otto-Schenk-Inszenierung aus den Achtzigern, die jahrzehntelang in Wien und München gezeigt wurde. In München habe ich sie als Student zweimal mit Carlos Kleiber erlebt, das hat mich geradezu geprägt. Am hiesigen Theater habe ich zwei Inszenierungen erlebt, beide Male gab es den Negerjungen. Beim ersten Mal (um das Jahr 2000) hat man einfach einem Kind aus der Stadt das Gesicht angemalt. Bei der letzten Inszenierung wollte man Blackfacing vermeiden, man hat ein Kind ‚mit afrikanischem Migrationshintergrund‘ ausgewählt. Ob bei der nächsten Inszenierung überhaupt noch ‚Ein kleiner Neger‘ dabei sein wird?