Sieben Krimis für die einsame Insel
Es mag hundert Listen mit den hundert besten Kriminalromanen geben. Beim Kofferpacken für die Insel und der Zusammenstellung dieser kurzen Liste gab es aber fünf strenge Vorgaben:
- Keine Regionalkrimis.
- Keine depressiven Kommissare, die an Krebs, Beziehungsproblemen und dem überlangen skandinavischen Winter leiden. Ein bisschen Humor, eine gewisse Leichtigkeit des Seins, auch bei ernsten Themen, müssen sein.
- Keine Gemetzel, weder unter aktiven Charakteren noch im Leichenschauhaus.
- Keine Klassiker, keine Neuerscheinungen, sondern nur Titel aus dem letzten Quartal des letzten Jahrhunderts.
- Nicht nur Story, Charaktere usw., sondern auch Stil, Sprache usw. müssen stimmen.
Und Guido Brunetti, mit dem ich zu Hause in Venedig sehr gern am Esstisch sitze, um ihm und seiner Familie zuzuhören, darf nicht mit auf die Insel.
- Jakob Arjouni, „Happy Birthday, Türke!“, 1985. – Der erste aus der Reihe von fünf Kriminalromanen um den Privatdetektiv Kemal Kayankaya, der türkisch aussieht, allerdings außer Deutsch und Hessisch keine weitere Sprache spricht.
- Charles Willeford, „Miami Blues“, 1984. – Der erste aus der Reihe von leider nur vier Kriminalromanen um den Polizisten Hoke Moseley aus Miami. „Willefords Serie um den Detective Hoke Moseley teilt mit Carolls Alice im Wunderland, Poes Der Untergang des Hauses Usher und Hergés von Homers Odyssee inspirierten Comic um Tintin und Kapitän Haddock das Wesentliche der großen Literatur.“ Man muss nicht so zulangen wie Janwillem de Wetering es hier tut, aber Willefords vier Romane sind wirklich sehr gut.
- Bernhard Schlink / Walter Popp, „Selbs Justiz“, 1987. – Der erste von den drei Kriminalromanen um den 68jährigen Privatdetektiv Gerhard Selb. Ein schnell gelöster Fall von Werkspionage weitet sich zu einer Abrechnung mit Selbs eigener Vergangenheit als junger und überzeugter Nazi-Staatsanwalt.
- Philipp Kerr, „March Violets“, 1989. – Der erste Roman Kerrs und der erste der Trilogie „Berlin Noir“ um den Privatdetektiv Bernhard Gunther, die 1936 in Berlin einsetzt. „This morning, at the corner of Friedrichstrasse and Jägerstrasse I saw two SA men unscrewing a red Der Stürmer showcase from the wall of a building…“
- Wolf Haas, „Komm, süßer Tod“, 1998. – Der dritte aus der Romanreihe um den Expolizisten Simon Brenner. Haas erfand – neben den herrlich absurden Handlungen – für seine Brenner-Romane eine eigene Sprache: „Rein praktisch natürlich wieder eine andere Sache.“
- Michael Dibdin, „Cosi fan tutti“, 1996. – Der fünfte und drolligste der elf Romane um den italienischen Polizisten Aurelio Zen. Signor Zen ermittelt jedesmal in einer anderen Region Italiens, diesmal in Neapel, wo er – eigentlich wider eigenen Willen – die erstaunlichsten Verwicklungen aufklärt. Jedes Kapitel trägt ein Motto aus Mozarts „Cosi fan tutte“.
- Heinrich Steinfest, „Cheng“, 1999. – Der erste von wohl nur vier Romanen um den Privatdetektiv Markus Cheng. Cheng ist nur äußerlich ein Chinese und damit in Wien genauso deplatziert (also für die Zwecke des Autors genau am richtigen Ort) wie Kayankaya in Frankfurt.
„Herr Bert“ schreibt:
Ich hatte eine eigene Liste erstellt – nach Kenntnisnahme der ‚strengen Vorgaben‘ habe ich nun versucht, meine Liste zu überarbeiten. Es ist mir nur dort gelungen, wo ich meine Favoriten durch frühe oder erste Bücher einer Reihe ersetzen konnte. Über die Hälfte meiner Autoren müsste ich streichen, da sie in dem festgelegten Zeitraum 1975 – 2000 nichts Wesentliches oder noch gar nichts veröffentlicht haben. Also bliebe nur, auf die üblichen Verdächtigen (Mankell, Willeford …) zurückzugreifen, die ich jetzt eben in keinem Fall auf eine Insel mitnehmen würde, oder die (im Gegensatz zu allen anderen Kriterien nicht nachvollziehbar begründete) Zeitvorgabe zu ignorieren. Das will ich tun und sende hier meine aktuelle Krimi-Bestenliste (in Klammern z.T. die eigentlich favorisierten neueren Titel).
- Ellroy, James: Stadt der Teufel, 1990, verfilmt als LA Confidential (Blut will fließen, 2009)
- Winslow, Don: Die Sprache des Feuers, 1999 (Tage der Toten, 2005)
- Rankin, Ian: Verborgene Muster / Das zweite Zeichen, Doppelband 1987.
- Meyer, Deon: Der Atem des Jägers, 2004
- Kutscher, Volker: Der nasse Fisch, 2008
- Rob Smith, Tom: Kind 44, 2008
- Elsberg, Marc: Blackout, 2012