Haibun der Woche 42 – 15. Oktober 2023

Drei Tage auf Eiderstedt, hoch oben im Norden Deutschlands. Es war überraschend warm und trocken, und meine Radtour von St. Peter-Ording, wo ich mich eingemietet hatte, nach Tönning wurde ein Fest. Das Wasser war zu dieser Stunde ganz an den Uferweg herangetreten, so dass ich in manchen Passagen nur ein, zwei Meter vom Meer entfernt fahren konnte. 

Schon von weitem fiel mir eine Menschengruppe auf, drei junge Frauen und einige Kinder im Vorschulalter, die ihren Spaziergang unterbrochen hatten, aufgeregt miteinander sprachen und immer wieder aufs Wasser hinaus zeigten. Sie bemerkten mich nicht, blockierten aber den Weg, so dass ich abstieg und mit ihnen aufs Wasser schaute. In etwa hundert Meter Entfernung sah man einige Schafe, die, von der Flut überrascht, Mühe hatten, ihre Köpfe über Wasser zu halten, sich ansonsten aber nicht von der Stelle bewegten. 

Nun näherte sich ein Polizeifahrzeug und hielt neben uns. Eine junge Beamtin stieg aus und erklärte den aufgeregten Frauen, sie habe den Schäfer informiert, er sei auf dem Weg. Nötigenfalls werde man ein Boot der Küstenwache herbeirufen.

Ich schaltete mich ein und sagte, das Wasser laufe ja seit einer Viertelstunde bereits wieder ab, man könne doch wohl einfach beruhigt abwarten. Eine der jungen Frauen drehte sich empört zu mir um – ich bemerkte ihre entblößten Brüste und einen hungrigen Säugling – und fuhr mich an: „Haben Sie denn kein Herz? Aber das Fleisch der Tiere essen, das können Sie!“ Verlegen stotterte ich irgendetwas, ich hätte ja doch nur, es sei doch immerhin, stieg dann aber schnell auf mein Rad und fuhr davon. Die Aufmerksamkeit der Frauen und der Polizistin hatte sich da bereits wieder den unglücklichen Schafen zugewandt.

In Tönning, im schönen historischen Hafen, habe ich eine Stunde später aus Trotz tatsächlich ein Lammkotelett gegessen.

 

Widrige Zeiten.
A
uch den Schafen steht das Wasser
schon bis an den Hals.

Wolfgang Volpers

 

 

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Von dem törichten Verhalten der Schafe auf Eiderstedt habe ich bereits hier, im Beitrag Unter Schafen, einmal erzählt; um  einen sehr besonderen Moment auf dem Strand von St. Peter-Ording geht es hier. – Mein Photo ist durchaus beweiskräftig: Die Schafe erkennt man links vom Ende des in das Meer hineinragenden Zaunes.