Haibun der Woche 48 – 1. Dezember 2019
Im Frühjahr 1689 wandern Bashō und sein Reisegefährte Sora von Edo aus nach Norden und wieder zurück. Fünf Jahre lang arbeitet Bashō an seiner Reisebeschreibung „Auf schmalen Pfaden durchs Hinterland“, in der er seine Eindrücke zu kurzen Prosatexten verdichtet, die jeweils zu einem Haiku hinführen. Dieses Buch – für mich nur mit Hilfe eines umfangreichen gelehrten Kommentars und deswegen schwer zu lesen – birgt das Modell für die literarische Gattung Haibun. Wiki erläutert: „eine knappe, von subjektiven Eindrücken durchzogene Skizze, in die meist gen Ende ein Haiku eingebettet ist“.
Hartmut Schulz ist nicht weit gereist, hat aber trotzdem einige Türen aufgemacht.
Knastsonntag im Dezember
Filmreifer Zellentrakt: Eiserne Gänge rundum, dazwischen Leere, gut gesichert gegen Sprünge in die Tiefe. Die Türen sind offen. Im überhellen Saal drei Musiker vor dem Holzaltar. Auf Stapelstühlen singen Frauen „Wild Rover“. Wer kommt aus der Zelle, wer schließt sonst ein? Kein Whisky, kein Bier: Auf dem Hof gibt es warmen Kakao.
Statt Drahtnetzen –
Musik zum Mitklatschen
Fängt Lebensmüde.
Dieses Haibun ist ein Originalbeitrag für diese Homepage. – Drei Gefängnis-Haiku – und ein Bild des Gefängnisses, das Hartmut Schulz zu seinem Text inspiriert hat – finden sich hier. – Etwas mehr über Bashōs „Auf schmalen Pfaden durchs Hinterland“ samt dem schönsten Haiku daraus kann man hier lesen. – Vorgestern war übrigens Matsuo Bashōs 325. Todestag.