Haiku der Woche 14
Das wohl kürzeste Haiku (von John Stevenson aus dem Jahr 2009) überhaupt fand ich in einem Wiki-Artikel über „Haiku in English“:
core
Die Erkennbarkeit als Haiku und die Sinngebung hängen hier von der Präsentation und vom Zusammenhang ab: Das Wort „core“ („Kern, Ader, Inneres“) steht in der Mitte der mittleren Seite der Haiku-Sammlung „Live again“. – In den Siebzigern des vorigen Jahrhunderts sind offenbar Haiku in einer einzigen Zeile populär gewesen. Hier ein Beispiel von Matsuo Allard aus dem Buch „Bird Day Afternoon“ (1978):
an icicle the moon drifting through it
Auch deutsche Autoren haben Haiku geschrieben, die die klassische Norm weit unterschreiten, wie das folgende von Martin Berner:
kein Strafzettel
Herbstblätter
Dies und den folgenden wunderbaren Einzeiler von Dietmar Tauchner fand ich in einer Haiku-Sammlung von Volker Friebel auf „haiku-heute“:
ihre sms fliederduft
Das Haiku dieser Woche bewahrt die traditionelle Dreizeiligkeit, unterschreitet aber auch die vom Modell verlangte Silbenzahl. Es stammt von dem Philosophen, Komponisten und Cellisten Cornelius Reinsberg, der auf dieser Website hier auch schon mit einer Liste von Cellokonzerten für die einsame Insel vertreten ist.
Der erste Mückenstich im Jahr:
Zeit und Wunde –
Wen juckt’s?
Einige andere kurze Gedichte von Cornelius finden sich hier.