Haiku der Woche 44 – 1. November 2020
Nun haben sich die Wolken in diesem trüb-trüben Oktober doch noch, im allerletzten Moment, verzogen, und haben den Blick auf den Vollmond freigegeben, schon den zweiten dieses Monats. Das ist ein seltenes Phänomen, denn der Mondzyklus ist ja nur um ein Geringes kürzer als der Monat in unseren Kalendern. Weil der Mond nach 29 Tagen, 12 Stunden und 44 Minuten der Sonne genau die gleiche Seite zukehrt, gibt es den doppelten Vollmond nur alle paar Jahre (im Februar nie, auch in Schaltjahren nicht), das nächste Mal wieder im August 2023.
Grund genug für einige Klassiker.
Vollmond im Herbst.
Die ganze Nacht bin ich
rund um den Teich gegangen.
Bashō
Groß und hell der Mond.
Ich ging und ging, aber
der Himmel blieb fern.
Chiyo-ni
Ich schiebe mein Kissen
etwas näher an den
vollen Mond heran.
Saiba
Die Bilder vom Cuxhavener Oktober-Vollmond verdanke ich Herbert Weber. – Die Übersetzungen der Gedichte von Bashō und Chiyo-ni stammen von Dietrich Krusche aus dem unübertroffenen dtv-Bändchen „Haiku – Japanische Gedichte“; das Gedicht von Saiba ist eine eigene Übertragung auf der Grundlage verschiedener englischer Versionen. – Von der Dichterin Chiyo-ni (1703 – 1775) stammt offenbar auch das folgende, stark auftrumpfende Haiku:
I have even seen the moon –
now I can say good bye
to this world
Diesmal halten sich die Haiku-Übertragungen nicht an die 5-7-5-Silbenregel. Mehr dazu hier (im vierten Kreis).