Schostakowitschs achtes Streichquartett – Anmerkungen und Nachweise

 

Die verwendete Literatur:

  • Solomon Wolkow (Hrsg.), Die Memoiren des Dmitri Schostakowitsch, List Verlag 2003
  • Solomon Wolkow, Stalin und Schostakowitsch – Der Diktator und sein Künstler, List Verlag 2006
  • Krzysztof Meyer, Schostakowitsch – Sein Leben, sein Werk, seine Zeit, Schott 2008
  • Klaus Hellmann, Stalin – eine Biographie, Primus Verlag 2005
  • Simon Sebag Montefiore, Stalin – Am Hof des roten Zaren, S. Fischer Verlag 2005
  • Karl Schlögel, Terror und Traum – Moskau 1937, Carl Hanser Verlag 2008
  • Jörg Barberowski, Verbrannte Erde – Stalins Herrschaft der Gewalt, Verlag C. H. Beck 2012
  • Klaus Hellmann, Stalin – eine Biographie, Primus Verlag 2005
  • Kurt Sanderling, Andere machten Geschichte, ich machte Musik – Die Lebensgeschichte des Dirigenten, Parthas Verlag 2012
  • Sarah Quigley, Der Dirigent (Roman), Aufbau Verlag 2012
  • Julian Barnes, Der Lärm der Zeit (Roman), Kiepenheuer&Witsch 2017
  • und einige Photos aus den einschlägigen Artikeln der deutschsprachigen Wikipedia

 

Einige Ergänzungen zum Vortrag:

  • man kann sich den Platz, an dem Schostakowitsch komponierte, ansehen:  Die Baulichkeiten waren 2019, als ich diese Photos machen konnte, in einem erbärmlichen Zustand.

  • Antisemitismus aber ist eine durchgehende Konstante der russischen Geschichte:  Die antisemitischen Verfolgungskampagnen in der Spätphase der Stalin-Ära hätten fast die Ausmaße der großen „Säuberung“ der 30er-Jahre angenommen, wenn nicht Stalin am 5. März 1953 gestorben wäre: In den besetzten und annektierten Gebieten waren die Juden reihenweise deportiert und erschossen worden (erst nach dem Krieg!). Nun wurden die Mitglieder des JAFK (Jüdisches Antifaschistisches Komitee) verhaftet und teilweise ermordet. Noch sieben Wochen vor seinem Tod plante Stalin die Prozesse gegen die „Jüdische Ärzteverschwörung“: Vom 7. bis 9. März sollte der Prozess gegen die „Mordärzte stattfinden, am 11. und 12. März sollten sie zur Abschreckung in einer großen öffentlichen Zeremonie auf dem Roten Platz gehängt werden. (Kellmann, s.o., S. 242 ff.)
  • die Aufführung seiner 13. Sinfonie: Eine kurze Notiz zu dieser Sinfonie findet sich hier.
  • manche Ideen und Überzeugungen der sowjetischen Musikkultur:  Zwischen den ästhetischen Positionen der Avantgarde des Westens und Schostakowitsch war kaum eine Vermittlung möglich. Im ersten Band von Ulrich Dibelius‘ Buch „Moderne Musik – 1945-1965“, erschienen 1966, das der westlichen Avantgarde verpflichtet ist, kommt Schostakowitsch in einem einzigen Satz vor.
  • Stalins Tod – endlich:  Bei einer anderen Gelegenheit ging ich in meinem Vortrag an dieser Stelle noch auf Schostakowitschs zehnte Sinfonie ein. 
    Schostakowitsch schreibt seine Zehnte Sinfonie. Wenn man den Wolkow-Memoiren glauben darf, ist das Scherzo „ein musikalisches Porträt von Stalin. Natürlich enthält der Satz auch sehr viel anderes. Aber er basiert, grob gesagt, auf diesem Porträt.“ Krzysztof Meyer berichtet über die Aufmerksamkeit, die dem neuen Werk zuteil wird: Nach der Uraufführung wird die Sinfonie im Komponistenverband diskutiert. Es gibt höchste Superlative und wüste Beschimpfungen. Schostakowitsch zündet in seinem eigenen Redebeitrag Nebelkerzen. Er hütet sich, irgendetwas von einem Stalin-Porträt zu sagen, er hütet sich überhaupt, irgendetwas Inhaltliches zu sagen. Zum zweiten Satz z.B. führt er aus: „Der zweite Satz entspricht, wie mir scheint, meinen Vorstellungen und nimmt im Zyklus den hierfür vorgesehenen Platz ein. Dennoch ist dieser Satz möglicherweise allzu kurz, vor allem wenn man ihn mit dem ersten und dritten und auch dem vierten vergleicht, die ziemlich lang sind. Es kommt hier also zu einer gewissen Störung der zyklischen Konstruktion. Möglicherweise fehlt hier noch ein Satz, der zusammen mit dem zweiten Satz die Gesamtkonstruktion stützen würde.“ (zitiert nach: Meyer, s.o., S. 350 f.)
  • Chruschtschow war an Dutzenden von Terrormaßnahmen selbst beteiligt gewesen:  Ende Juni 1953 ließ Chruschtschow Beria mitten in einer Sitzung des ZK-Präsidiums verhaften. Im Dezember wurde in einem 30minütigen Prozess das Urteil gegen ihn und 22 seiner georgischen Gefolgsleute gefällt. Die Todesstrafe wurde unmittelbar danach vollstreckt, die Angeklagten wurden beim Hinausgehen auf den Flur erschossen. Es ist nicht bekannt, dass außer Beria ein weiterer hoher Funktionär aus der Stalin-Ära verurteilt oder betraft worden wäre. Die Beseitigung Berias hatte mit dem Prozess der Entstalinisierung, für den sie häufig als Startsignal gesehen worden ist, nichts zu tun. Sie war vielmehr die schnelle Entscheidung in einem verblüffend kurzen Machtkampf, den Chruschtschow zu seinen Gunsten beendete. (Nach: Hellmann, s.o., und den Wikipedia-Artikeln zu Chruschtschow und Beria)
  • Aber es sind nicht allein die Todesangst, das Alter, die Krankheiten, das Schwinden der Kräfte:  Bei wieder einer anderen Gelegenheit ging ich in meinem Vortrag an dieser Stelle noch auf Schostakowitschs letzte Sinfonie ein. 
    Inmitten dieser Entwicklungen schreibt Schostakowitsch seine letzte, rätselhafteste Sinfonie: Musik mit doppeltem Boden. Wieder schafft er mit Zitaten aus eigenen und fremden Werken eine Bedeutungsebene jenseits der als absolute Musik hörbaren Töne. Ich möchte mit Ihnen noch die letzten Takte der der letzten Sinfonie des Meisters hören. Die Musik zu Beginn dieses Abschnitts ist von Richard Wagner „geklaut“. Man kennt diese Musik aus dem Musikdrama „Walküre“, dort ist sie unter dem Namen „Todesverkündungsmotiv“ bekannt. Jetzt erwartet man eine düstere Auseinandersetzung mit der eigenen Sterblichkeit oder jedenfalls bedeutungsschwangere sinfonische Auseinandersetzungen. Aber Schostakowitsch biegt nach wenigen Takten in eine andere Straße ein. Einer heitereren Melodie der Geigen hört man nicht an, dass auch sie „geklaut“ ist, auch von Wagner, vom Beginn von „Tristan und Isolde“, einer der größten Liebesgeschichten aller Zeiten. Man hört, dass diese Heiterkeit etwas Scheinhaftes hat, dass diese Musik zugleich etwas mitteilt und etwas verbirgt. Ab und zu fährt ein beißender, grimmiger Klang dazwischen. Am Ende bleibt alles auf einem hellen A-Dur- Akkord stehen, einer Tonart, die seit den Klassikern für Heiterkeit und Optimismus steht. Knöcherne Schlagzeugrhythmen führen zum ungewöhnlichsten Sinfonie-Schluss aller Zeiten. Ich kenne kaum eine andere Musik so voller Rätsel.
  • zu einem deutsch-sowjetischen Film namens „Fünf Tage – Fünf Nächte“:  Es handelt sich um „ein deutsch-sowjetisches Nachkriegsdrama von Leo Arnstam (Hauptregie), Heinz Thiel und Anatoli Golowanow, das 1961 in Zusammenarbeit von DEFA und Mosfilm entstand. Es behandelt die Rettung der Gemälde der Dresdner Gemäldegalerie Alte Meister kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Fünf Tage – Fünf Nächte wurde unter dem Arbeitstitel Dresdener Galerie 1960 unter anderem in Dresden gedreht. Zahlreiche Ruinen der Stadt wurden jedoch als Modelle nach zeitgenössischen Fotografien hergestellt. Der Film erlebte am 7. März 1961 im Leipziger Capitol seine Deutschland-Premiere und kam am 31. März 1961 in die DDR-Kinos. Zuvor wurde die Produktion unter dem Titel Пять дней, пять ночей (Pjat dnei, pjat notschei) am 28. Februar 1961 in Moskau uraufgeführt. Es war die erste filmische Zusammenarbeit von DDR und Sowjetunion. Die Filmmusik stammt von Dmitri Schostakowitsch, der im Vorfeld in die Sächsische Schweiz eingeladen wurde, um sich hier inspirieren zu lassen. Es entstand sein bekanntes 8. Streichquartett op. 110, das in Teilen auch in der Filmmusik (op. 111) Verwendung fand. Es spielte das Staatliche Symphonische Filmorchester Moskau unter Grigori Gamburg.“ (Wikipedia)
  • unerhört schöne Gegend: