Sieben mal sieben Sprüche über das Alter und das Altern

Aus gegebenem Anlass. Noch gegebener wären sieben mal zehn statt sieben mal Sprüche gewesen, aber die Sieben ist doch „eine gute, handliche Zahl in ihrer Art, ein mythisch-malerischer Zeitkörper, befriedigender für das Gemüt als etwa ein trockenes halbes Dutzend“. Mit solcher Deckung durch den Meister selbst habe ich also die folgenden Dinge zusammengestellt – und dabei das Thema Alter und Altwerden nicht ganz streng gehandhabt.

 

1. „Ja, lang leben will halt alles, aber alt werden will kein Mensch.“
Johann Nepomuk Nestroy, „Die Anverwandten“

2. Die Zeit heilt alle Wunden.
V
oltaire

3. Die Zeit mag Wunden heilen, aber sie ist eine miserable Kosmetikerin.
Mark Twain

4. Charlie Brown: „Eines Tages werden wir sterben, Snoopy.“ – Snoopy: „Ja, aber an allen anderen Tagen nicht.“
Charles M. Schulz, „The Peanuts“

5. Zwei Dinge können im Alter Talent und Lebensgenuss zur Not ersetzen: Ruf oder Reichtum.
Luc de Clapiers, Marquis de Vauvenargues

6. Greise lieben es, gute Ratschläge zu erteilen, um sich darüber hinwegzutrösten, dass sie nicht mehr in der Lage sind, schlechte Beispiele zu geben.
François de la Rochefoucault

7. Mag Hoffnung noch so trügerisch sein, sie dient uns wenigstens dazu, auf angenehmem Wege bis an unser Lebensende zu gelangen.
François de la Rochefoucault

8. Ein großer Vorteil des Alters liegt darin, dass man nicht länger die Dinge begehrt, die man sich früher aus Geldmangel nicht leisten konnte.
Charlie Chaplin

9. Wenn man erst mal den Anspruch glücklich zu sein aufgegeben hat, stellt sich eine gewisse Heiterkeit ein.
V
olker Schlöndorff in einem Interview

10. Ach, ja, die ersten neunzig Jahre sind die besseren.
Willi Tangermann (an seinem 90. Geburtstag) 

11. „Wie schön ist die Musik, – aber wie schön erst, wenn sie vorbei ist!“
Stefan Zweig, „Die schweigsame Frau

12. Die Natur ist unerbittlich und unveränderlich, und es ist ihr gleichgültig, ob die verbor-genen Gründe und Arten ihres Handelns dem Menschen verständlich sind oder nicht.
Galileo Galilei

13. Wenn man mich fragt, warum ich reise, antworte ich: Ich weiß wohl, wovor ich fliehe, aber nicht, wonach ich suche.
Michel de Montaigne

14. Philosophieren heißt sterben lernen.
Michel de Montaigne

15. Das Leben muss nicht leicht sein, wenn es nur inhaltsreich ist.
L
isa Meitner

16. Das Leben hört nicht auf, komisch zu sein, wenn Menschen sterben – ebensowenig wie es aufhört, ernst zu sein, wenn man lacht.
George Bernard Shaw, The Doctor’s Dilemma

17. „Ich bin nämlich eigentlich ganz anders, aber ich komme nur so selten dazu.“
Ödön von Horváth, „Zur schönen Aussicht“

18. Der einzige Mensch, der sich vernünftig benimmt, ist mein Schneider. Er nimmt jedesmal neu Maß, wenn er mich trifft, während alle anderen immer die alten Maßstäbe anlegen in der Meinung, sie passten auch heute noch.
George Bernard Shaw

19. Ein Glaube, der auf das eigene Weiterleben nach dem Tod fokussiert ist, bleibt heillos egozentriert. Ist der Wunsch, ewig zu leben, nicht ohnehin der menschliche Urfrevel, so sein zu wollen wie Gott, der allein Ewige?
Kurt Marti

20. Wo kämen wir hin, wenn alle sagten, wo kämen wir hin, und keiner ginge, um zu sehen, wohin wir kämen, wenn wir gingen.
Kurt Marti

21. Einen Regenbogen, der eine Viertelstunde steht, sieht man nicht mehr an.
Johann Wolfgang Goethe

22. Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen.
Johann Wolfgang von Goethe

23. Oberst Aureliano Buendía begriff, dass das Geheimnis eines guten Alters nichts anderes ist als ein ehrenhafter Pakt mit der Einsamkeit.
Gabriel García Marquez

24. Es ist traurig, eine Ausnahme zu sein. Aber noch viel trauriger ist es, keine zu sein.
Peter Altenberg

25. Genießen Sie das Leben jetzt; es wird nicht immer fortgesetzt!
Fridolin Tschudi

26. Alter, ich glaube, du lässt besser mich mal da ran.
Ein Teenager, zu mir, vor einem Fahrkartenautomaten der DB

 27. „Man wird alt, gut, daran ändern wir nichts. Aber worauf es ankommt, ist, daß die Dinge einem neu bleiben, und daß man sich eigentlich an nichts gewöhnt… Gewöhnung ist der Tod.“
Thomas Mann, „Wälsungenblut“

28. „Ungern geh‘ ich von euch dahin. Ist ja doch der Tod ein großes Mittel des Lebens, und wenn er für mich die Gestalt lieh von Auferstehung und Liebeslust, so war das nicht Lug, sondern Güte und Gnade.“
Thomas Mann, „Die Betrogene“

29. Im Südwind, hatte der Totengräber gesagt, werde viel gestorben. In der Kälte würden die Kranken und Alten noch einmal alle Kräfte aufbieten und auf eine mildere Zeit hoffen. Aber gerade dann, in der Erleichterung des Südwinds, im Aufatmen und Nachlassen der Aufmerksamkeit, käme der Tod.
Christoph Ransmayr

30. Jedesmal wenn ich mit einem Gelehrten spreche, festigt sich in mir die Überzeugung, vollkommenes Glück sei ein unerreichbarer Wunschtraum. Spreche ich dagegen mit meinem Gärtner, bin ich vom Gegenteil überzeugt.
Bertrand Russell

31. Etwas mehr wissen und etwas weniger leben. Andere sagen es umgekehrt. …  Aber wer nichts weiß, der lebt auch nicht.
Baltasar Gracián

32. Wenn das All den Menschen zermalmte, so wäre der Mensch noch edler als das, was ihn tötet, weil er weiß, dass er stirbt und die Überlegenheit kennt, die das All über ihn hat; das All weiß nichts davon.
Blaise Pascal

33. Wenn ich mich mitunter daran gemacht habe, die vielfältige Geschäftigkeit der Menschen zu betrachten, die Gefahren und Mühsale, denen sie sich aussetzen, habe ich entdeckt, dass alles Unglück der Menschen von einem Einzigen herkommt: dass sie es nämlich nicht verstehen, in Ruhe in einem Zimmer zu bleiben.
Blaise Pascal

34. Derselbe Mensch, der so viele Tage und Nächte in Wut und Verzweiflung hinbringt über den Verlust eines Amtes oder über irgendeine eingebildete Beleidigung seiner Ehre – er ist eben der gleiche, der ohne Unruhe und ohne Erregung weiß, dass er durch den Tod alles verlieren wird.
B
laise Pascal

35. Wer sich selbst treu bleiben will, kann nicht immer anderen treu bleiben.
Christian Morgenstern

36. Alles fügt sich und erfüllt sich, musst es nur erwarten können, und dem Werden deines Glückes Jahr und Felder reichlich gönnen.
Christian Morgenstern

37. Altern ist eine ungute Gewohnheit, die ein beschäftigter Mensch gar nicht erst aufkommen lässt.
André Maurois

38. Als du auf die Welt kamst, weintest du und um dich herum freuten sich alle. Lebe so, dass wenn du die Welt verlässt, alle weinen und du lächelst.
Aus China

39. Die Tragöde des Alters liegt nicht im Alter selbst, sondern in der Jugend.
Oscar Wilde

40. Man kann das Leben nicht wiederholen wie einen Zug beim Brettspiel.
Antiphon

41. Das schauerlichste aller Übel, der Tod, hat also keine Bedeutung für uns; denn solange wir da sind, ist der Tod nicht da, wenn aber der Tod da ist, dann sind wir nicht da.
Epikur

42. Wir leben nur einmal, zweimal kann man nicht geboren werden; danach können wir in alle Ewigkeit nicht mehr sein. Du aber bist nicht einmal Herr über den morgigen Tag und verschiebst doch immerzu den rechten Augenblick. Über dem Zaudern geht das Leben dahin, und ein jeder von uns stirbt rastlos.
Epikur

43. Es kommt nicht darauf an, wie alt man wird, sondern wie man alt wird.
Ursula Lehr

44. Das Alter hat auch gesundheitliche Vorteile: Zum Beispiel verschüttet man ziemlich viel von dem Alkohol, den man trinken möchte.
André Gide

45. Es muss nicht alles Unerwartete uns das Fürchten lehren.
Frank-Walter Steinmeier

46. Alles fürchtet sich vor der Zeit, aber die Zeit fürchtet sich vor den Pyramiden.
Aus Ägypten

47. Nicht das Alter, das Altern ist das Problem. Das Altern kommt langsam und oft unerwartet, weil es uns alle in unterschiedlichen Gesundheitsphasen überrascht.
Reinhold Messner

48. Jeder alte Mensch weiß genau, wie es ist, jung zu sein. Die jungen Menschen können nicht wissen, wie es ist, alt zu werden und alt zu sein, und das ist wohl der entscheidende Unterschied.
Harald Martenstein

49. Siebzig findet vor allem im Kopf statt. In der Kneipe des Lebens ertönt die Klingel, das Licht geht an, und der Wirt ruft: Eine letzte Runde noch!
Harald Martenstein

 

Und zum Beschluss:
„Es ist noch nicht so weit“, sagte er leise, und der Winter legte sich übers Tal.
Robert Seethaler